Polen-Litauen 1492-1515

Der Tod des polnischen Königs und litauischen Fürsten Kasimir IV. des Jagiellonen am 7. Juni 1492 steht für das Ende einer für die Geschichte beider Länder bedeutenden Epoche. Zu dieser Zeit hatten die Jagiellonen zwar die Herrschaft in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas (Polen, Litauen, Böhmen, Ungarn) inne, die polnisch-litauische Personalunion wurde jedoch aufgelöst. Johann I. Albrecht wurde zum polnischen König gewählt, zum litauischen Herrscher wurde hingegen ein weiterer Sohn von Kasimir IV., Alexander, gekürt. Die Union wurde erneut geschlossen, als Alexander nach dem Tode von Johann Albrecht im Jahre 1501 auch polnischer König wurde. Nach seinem Tod im Jahr 1506 folgte ein weiterer Sohn von Kasimir IV., Sigismund der Alte, auf den Thron. Er herrschte in Polen und in Litauen von 1506 bis 1548. Außenpolitisch war für beide Länder zu dieser Zeit der nach dem Tode von Kasimir IV. ausgebrochene Krieg zwischen Litauen und Moskau von immenser Bedeutung.

Damals rief sich Moskau zum „Dritten Rom“ aus und begann mit dem als „Sammlung russischer Erde“ bezeichneten Expansionsprozess. Im Laufe weiterer Konflikte in den Jahren 1493-1494, 1500-1503, 1507-1510 und nach dem Jahr 1512 wurde Litauen um ein Drittel seiner Fläche verkleinert, die litauisch-russische Grenze verlief teilweise entlang des Flusses Dnjepr. Von nicht unerheblicher Bedeutung für Polen-Litauen war der Verlust des Smolensker Gebiets im Juli 1514, das als wichtiges Bollwerk galt, von dem aus das Gebiet zwischen den Einzugsbereichen von Dnjepr und Düna kontrolliert werden konnte. Diesen Verlust konnte der klare Sieg der polnisch-litauischen Truppen über die Moskauer Kräfte während der großen Schlacht bei Orscha am 8. September 1514 nur teilweise kompensieren.

In Polen wird die Herrschaft von Johann Albrecht (1492-1501) als jene Periode betrachtet, in der das polnische Parlament, der Sejm, seine endgültige Form erhielt. In dieser Institution waren der König, der Senat und die von den Landtagen der jeweiligen Provinz (den so genannten Sejmiks) gewählten Landboten vertreten. Als erster Sejm dieser Art gilt die Versammlung, die am 18. Jänner 1493 in Petrikau stattgefunden hatte.

In dieser Form bestand der polnische, später auch der polnisch-litauische Sejm, 300 Jahre lang. Seine endgültigen Prärogative wurden 1505 durch den vom Sejm von Radom verabschiedeten Beschluss nihil novibestimmt, gemäß dessen keine Entscheidung des Sejms ohne Zustimmung der aus den Vertretern der so genannten Szlachta [Adel] bestehenden Landbotenstube gefasst werden konnte.

In der Außenpolitik wollte König Johann Albrecht die Küste des Schwarzen Meeres (Kilija und Belgorod) erobern, um den Krimtataren die Verbindung zum Osmanischen Reich, deren Lehensmänner sie waren, abzusperren. Die Krimtataren waren mehrmals in die polnisch-litauischen Gebiete eingefallen. Der im Jahre 1497 unternommene Feldzug endete jedoch mit einer Niederlage. Die spätere Außenpolitik von Polen-Litauen vor dem Wiener Fürstentag wurde neben den Kriegen gegen Moskau auch von der angespannten Situation zwischen Polen-Litauen und dem Deutschen Orden beeinflusst, der unter der Herrschaft der Hochmeister (des im Jahre 1498 gewählten Friedrich von Sachsen sowie des nach dessen Tode im Jahre 1510 gewählten Albrecht von Hohenzollern) bestrebt war, die Bestimmungen des Zweiten Friedens von Thorn des Jahres 1466 aufzuheben.

Gemäß dieser Bestimmungen verlor der Orden einen Teil seiner Gebiete in Preußen zugunsten des polnischen Königs, seine übrigen Gebiete galten kraft des Friedensvertrags als polnisches Lehen. Besonders gefährlich waren die Versuche der mit Polen-Litauen verfeindeter Mächte (der Kaiser, Moskau, der Deutsche Orden, Brandenburg und Dänemark), ein gegen die Jagiellonen gerichtetes Bündnis zu schließen.

Bogusław Dybaś


Polen-Litauen 1515-1530

Die Wiener Doppelhochzeit verbesserte die politische Lage von Polen-Litauen bedeutend, da es nun unmöglich war, ein gegen den Staat von Sigismund dem Alten gerichtetes Bündnis zu schließen. Polen war zunehmend stärker in die Kriege zwischen Litauen und Moskau involviert, wobei sich die litauisch-russische Grenze nicht mehr entscheidend zu Ungunsten Litauens verschob. Von 1519 bis 1520 kam es zu einem Krieg gegen den Deutschen Orden, die polnischen Truppen verhinderten jedoch erfolgreich die Unterstützung des Ordens durch das Römisch-Deutsche Kaiserreich. Unter dem Einfluss von Martin Luther entschied sich der Hochmeister des Deutschen Ordens Albrecht von Hohenzollern für eine radikale Lösung.

Im April 1525 wurde der Vertrag von Krakau geschlossen, kraft dessen der Deutschordensstaat in Preußen säkularisiert wurde. Albrecht von Hohenzollern wurde zu seinem säkularen Herrscher sowie zum Lehensmann des polnischen Königs und nahm sowohl für sich als auch für seinen Staat die lutherische Religion an. Zu dieser Zeit stärkte der polnische König auch seine Position im westlichen Teil des ehemaligen Ordensstaats, im sog. Königlich-Preußen, das ihm seit 1466 direkt unterstand. In den großen Handelsstädten dieser Region (Danzig, Thorn, Elbing) kam es aufgrund der Reformationsströmungen zu Protesten seitens des Bürgertums gegen die bisherigen Stadteliten. Die entschlossene Reaktion des Königs setzte aber den Protesten ein Ende.

Polen führte auch im Westen eine aktive Politik und versuchte, ein Gegengewicht zu den Habsburgern (zu Kaiser Karl V., dem Nachfolger von Maximilian I., und seinem Bruder Ferdinand I.) bzw. zu deren den Jagiellonen gegenüber feindlicher Politik gegen Ungarn zu schaffen, was sich im Bündnis mit Frankreich (1524) widerspiegelte. Die Niederlage des Königs von Frankreich während der Schlacht bei Pavia 1525 machte jedoch die Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Konzeption zunichte. Zu dieser Zeit kam es darüber hinaus zur Regelung des rechtlichen Status von Masowien, das sich als Lehen der polnischen Könige unter der Herrschaft der lokalen Dynastie der Piasten befand. Im März 1526 verstarb der letzte Vertreter dieser Dynastie, Herzog Janusz von Masowien, woraufhin Masowien – endgültig kraft des Beschlusses des polnischen Sejms vom Jahr 1529 – Polen einverleibt wurde. Das Land konnte jedoch gewisse verfassungsrechtliche Besonderheiten bewahren. Damals spielte die zweite Gemahlin von Sigismund, Bona Sforza, auf der politischen Bühne von Polen-Litauen eine bedeutende Rolle. Sigismund vermählte sich mit ihr nach seiner kurzen Ehe mit Barbara Zapolya (1512-1515) im Jahr 1518. Bona stammte aus einer Dynastie, die früher in Mailand geherrscht hatte. Sie führte in Polen viele politische Konzepte ein, die in Italien zur Renaissancezeit üblich waren, insbesondere die Idee eines starken sowie politisch und finanziell unabhängigen Monarchen. Ihre Position wurde durch die Geburt des Thronfolgers, des späteren Königs Sigismund August, im Jahre 1520 weiter gefestigt. Aufgrund ihres geschickten politischen Vorgehens sowie der Bildung einer Partei, der ihre Anhänger angehörten, trug sie dazu bei, dass ihr Sohn 1529 Großfürst von Litauen, im Jahre 1530 hingegen – noch zu Lebenszeiten seines Vaters (vivente rege) - König von Polen wurde. Schon in den 1530er Jahren führte Bona eine aktive Wirtschaftspolitik, wobei sie die wirtschaftliche Stärkung der Dynastie und eine Reform der landwirtschaftlichen Strukturen in Litauen anstrebte. Dank ihrer Bemühungen wurde die Rolle des Königshofs als politisches Zentrum gestärkt. Sie stiftete außerdem neue Schlösser, Schulen und Spitäler.

Bogusław Dybaś


Adelskultur in Polen-Litauen

Das Zeitalter des Wiener Kongresses (Fürstentags) von 1515 war eine Epoche, in der der polnische Adel eine starke Stellung erlangte. Die Position des mittelalterlichen Rittertums in Polen wurde – im Gegensatz zu den in Westeuropa vorherrschenden Tendenzen – nicht zu Gunsten der Monarchie geschwächt. Die Herrscher von außerhalb Polens (Ludwig der Ungar, die Jagiellonen), die auf den polnischen Thron gelangten, bemühten sich um die Gunst der Adeligen und verliehen ihnen verschiedene ökonomische und politische Privilegien wie beispielsweise Immunität, das Verbot der Inhaftierung von Adeligen ohne entsprechendes Gerichtsurteil sowie das alleinige Recht auf Grundbesitz.

Die Wiedergewinnung der Weichselmündung im Jahre 1466 sowie die Entwicklung des Getreideexports aus Polen nach Westeuropa wurden zu wichtigen Faktoren für den zunehmenden Reichtum des Adels. Darüber hinaus wurde die dominierende Stellung des Adels gefestigt - einerseits durch die Begründung des Sejms (des polnischen Parlaments) im Jahre 1493, wobei die von den Sejmiks (Landtage der jeweiligen Provinzen) gewählte Landbotenstube neben dem Senat, dem Vertreter des Hochadels angehörten, ein gleich berechtigter Bestandteil des Sejms war, andererseits durch die Gewährung des Mitbestimmungsrechts im Sejm für die adeligen Gesandten gemäß dem Beschluss nihil novi des Jahres 1505.

Polen wurde auf diese Weise allmählich zu einer „Adelsrepublik“. Unter der Herrschaft von Sigismund dem Alten und seinem Nachfolger kämpfte der mittlere Adel mit den Hochadeligen um die Macht im Staat. Unter der Losung executio iurium et bonorumstrebte der mittlere Adel danach, die rechtliche Gleichstellung aller Adeligen und den gleichen Zugang zur königlichen Domäne durchzusetzen sowie die Nutzung der daraus erwachsenden Gewinne zur Finanzierung staatlicher Ausgaben. Die für den Adel charakteristische Ideologie wurde im 16. Jh. in bedeutendem Maße durch die Reformation beeinflusst. Viele Adelige traten – im Gegensatz zu den Senatoren, unter denen katholische Bischöfe eine bedeutende Rolle spielten – in den folgenden Jahrzehnten zum Protestantismus (besonders zum Calvinismus) über. Im Großfürstentum Litauen hatten die Hochadeligen, die Mitglieder des Großfürstlichen Rates waren an der Wende zum 16. Jh. eine dominierende Stellung inne. Dies hing auch mit der Tatsache zusammen, dass der Rat den Herrscher während dessen häufiger Abwesenheit im Land vertrat. Zum Symbol für die Entwicklung der Rechtskultur im Großfürstentum Litauen wurde der Erlass des sog. ersten Litauischen Statuts durch Sigismund den Alten im Jahre 1529. Die darauffolgenden Jahrzehnte führten unter polnischem Einfluss zur allmählichen rechtlichen und politischen Emanzipation des litauisch-russischen mittleren und niederen Adels (der Bojaren).

Bogusław Dybaś


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