Das heutige Gebiet der Slowakei in den Jahren 1490-1530

Die vier Jahrzehnte zwischen 1490 und 1530 gehörten zu den ereignisreichsten in der Geschichte des Königreichs Ungarn. Nach dem Tode des Königs Matthias Corvinus wählten die ungarischen Stände Wladislaus II. von Jagiello (1490-1516) zu seinem Nachfolger. Der böhmische König setzte sich gegen die Kandidaten der Habsburger Maximilian I. und seinen Bruder Johann I. Albrecht durch. Einige Zeit später stellte sich heraus, wie die Ungarische Kanzlei zutreffend feststellte, dass die Herrschaft Wladislaus’ II. über Ungarn eher an „ein Schiff auf stürmischer See“ erinnerte. Als Gegenleistung für seine Wahl musste er den ungarischen Magnaten weitgehende Freiheiten und Privilegien einräumen. Dies führte aber zu einer erheblichen Schwächung der königlichen Macht, was verheerende Folgen für das weitere Schicksal des Landes hatte.

Den negativen Höhepunkt der Regierung von Wladislaus II. bedeutete zweifelsohne der blutige Bauernkrieg im Jahre 1514. Ebenfalls der schwachen zentralen Macht geschuldet war die schlechte Organisation der Verteidigung gegen die Osmanen. Infolgedessen nahm seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts das Osmanische Reich die strategisch wichtigsten Grenzbefestigungen in den südlichen Gebieten Ungarns schrittweise ein. Nachdem auch Belgrad im Jahre 1521 dem osmanischen Angriff zum Opfer fiel, wurde klar, dass der zentrale Teil des Königreichs Ungarn den feindlichen Attacken völlig ausgeliefert war.

In den Regierungsjahren von Wladislaus II. gewannen die Habsburger immer mehr an Einfluss. Dies hing einerseits damit zusammen, dass der ungarische König die Nachfolge für seinen langersehnten Sohn, Ludwig, sichern wollte. Andererseits leisteten die Habsburger Hilfe in den Verteidigungskämpfen gegen die Osmanen. Ein Erbvertrag mit Maximilian I. und die arrangierte Hochzeit seiner Tochter Anna mit Maximilians Enkel Ferdinand und Wladislaus’ Sohnes Ludwig mit Maria von Österreich 1515 schufen die dynastische Voraussetzung für den Aufstieg des Hauses Habsburg in Ostmitteleuropa. Nur ein Jahr nach dem Abschluss dieses Vertrags starb Wladislaus II. Sein Nachfolger Ludwig II. wurde 1522 für volljährig erklärt und übernahm die Herrschaft über Ungarn. Der junge und unerfahrene König konnte aber die Macht der starken Magnaten nicht einschränken.

Das heutige Gebiet der Slowakei gehörte in der Regierungszeit der Jagiellonen zu den am meisten entwickelten Regionen des Königreichs Ungarn. Wladislaus II. bestimmte in seinem III. Dekret die bedeutendsten Städte in Ungarn, unter ihnen erwähnte er sechs, die sich auf dem heutigen Gebiet der Slowakei befanden: Pressburg/Bratislava, Bartfeld/Bardejov, Kaschau/Košice, Eperies/Prešov, Tyrnau/Trnava, Leutschau/Levoča. Besonders hervorzuheben ist, dass in der heutigen Westslowakei der Weinbau hoch entwickelt war und Pressburg zu den führenden Weinexporteuren des Ungarischen Königreichs gehörte.

In der Aufzählung des Königs werden interessanterweise die sieben sog. Bergstädte Schemnitz/ Banská Štiavnica, Kremnitz/Kremnica, Neusohl/Banská Bystrica, Königsberg/Nová Baňa, Pukkanz/Pukanec, Libethen/Ľubietové und Dilln/Banská Belá nicht erwähnt, obwohl sie zu dieser Zeit zu europäischem Ruhm gelangten. Dies war dem reichen Vorkommen an Kupfer, Silber und Gold zu verdanken. Diesen Umstand nutzte auch Johann Thurzo (1437-1508) für seine unternehmerische Tätigkeit. Der geschickte Geschäftsmann, der sich auch in der Hüttentechnik bestens auskannte, schloss Ende des 15. Jahrhunderts einen Vertrag mit der reichen Augsburger Bankiersfamilie Fugger, woraufhin das größte Montan-Unternehmen Europas in Neusohl entstand. Da Thurzo für die Erzförderung in den sieben Bergstädten vom ungarischen König Schutzbriefe erhalten hatte, konnte sich der Handel – der von Deutschland bis nach Übersee reichte – frei entfalten. So hieß es damals „Der Reichtum des Hauses Fugger ruht auf dem goldenen Kremnitz, dem silbernen Schemnitz und dem kupfernen Neusohl“. Im Jahre 1526 schied das Haus Thurzo aus dem Unternehmen aus und damit ging die „goldene Ära“ der Fugger-Thurzo’schen Gesellschaft zu Ende.

Epitaph von Emerich Czobor aus Skalitz (Skalica), unbekannter Maler aus der Zipser Region

Johann Thurzo war aber nicht nur ein geschickter Geschäftsmann, sondern auch ein großzügiger Kunstmäzen. Dank seiner finanziellen Unterstützung erlebte die spätgotische Kunst in den Bergstädten ihre Blütezeit und die Künstler konnten ihre Begabungen voll entfalten. In Leutschau wirkte einer der wichtigsten Holzkünstler und Bildhauer des ausgehenden 16. Jahrhunderts, Meister Paul von Leutschau. Sein gotischer Holzaltar in der St. Jakobskirche wurde in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen.

Ebenfalls in einer der Bergstädte, nämlich in Schemnitz/Banská Štiavnica war der geheimnisvolle „Meister M.S.“ tätig, dessen Malereien den Hauptaltar der St. Katharina-Kirche schmückten. Das berühmteste dieser Bildern ist wohl „Mariä Heimsuchung“, das heute in der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest zu bewundern ist.

Es ist hervorzuheben, dass die Lutherische Reformation sehr rasch ihre Anhänger im Gebiet der heutigen Slowakei fand. Dies war dem deutschsprachigen Bürgertum der hiesigen freien königlichen Städte und der Bergstädte zu verdanken. Vertreter der neuen Glaubensrichtung befanden sich sogar am Ofener Königshof, in der Umgebung der gebildeten Königin Maria von Habsburg.

Die Niederlage bei Mohács am 29. August 1526 war ein Wendepunkt nicht nur in der Geschichte des Königreichs Ungarn, sondern auch Ostmitteleuropas. Das Ungarische Königreich, das im Spätmittelalter als ein bestimmender Staat in Mitteleuropa gegolten hatte, wurde zum Kriegsschauplatz zweier bedeutender Großmächte: des Osmanischen Reichs und der im Entstehen begriffenen Habsburgermonarchie. Das heutige Gebiet der Slowakei bildete in den nachfolgenden 150 Jahren das Kerngebiet des dreigeteilten Königreichs Ungarn.

Anna Fundárková

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