Vilnius – eine Hauptstadt der Jagiellonen
Großfürst Gediminas (1316–1341) verlegte um das Jahr 1323 die Hauptstadt des Großfürstentums Litauen nach Vilnius. Jedoch bestand bereits Ende des 13. Jahrhunderts in der Unteren Burg von Vilnius eine mit Mauern befestigte Wehr- und Residenzburg, wo vermutlich Großfürst Gediminas seinen Herrscherhof hatte und seine berühmten Briefe an Mönche, Kaufleute und Handwerker europäischer Städte diktierte. So wurden Vilnius und der Burgenkomplex der litauischen Hauptstadt zum Stammsitz der Gediminiden-Dynastie.
Hier fanden im 15. und 16 Jh. die Zeremonien der Erhebungen zu den Großfürsten von Litauen statt. Bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts versammelten sich die Jagellonen oft in Vilnius, um hier Weihnachten zu feiern. Vilnius war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Hauptstadt des Großfürstentums Litauen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die polnisch-litauische Doppelmonarchie endgültig von den Nachbarstaaten Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt und verschwand von der europäischen Landkarte.
An der Schwelle vom 15. zum 16. Jh. (ca. 1490–1530) war Vilnius die blühende Hauptstadt Litauens, in der sich die gemeinsamen Herrscher des Königsreichs Polen und des Großfürstentums Litauen aus dem Gediminiden-Jagiellonen-Geschlecht häufig aufhielten und die Kunst der Spätgotik und Frührenaissance eine Blütezeit erlebte.
Besonders häufig besuchte Kasimir der Jagellone (1440/1447–1492) mit seiner Gemahlin Elisabeth von Habsburg, Tochter von Kaiser Albrecht II., die Stadt. Die beiden Eltern stifteten - neben der Kathedrale von Vilnius - eine Kapelle als Mausoleum für den jung verstorbenen Sohn Kasimir, der später heilig gesprochen wurde.
Auch die großfürstliche Residenz in Vilnius wurde zu dieser Zeit von der Herrscherfamilie sehr reichhaltig im hochgotischen Stil ausgestattet und das große Franziskaner-Observanten-Kloster gestiftet.
Der Nachfolger von Kasimir auf dem großfürstlichen Thron in Vilnius war sein Sohn Alexander (1492–1506), der 1501 auch zum König von Polen gekrönt wurde. Alexander residierte längere Zeit in Vilnius. Er reformierte das Staatswesen und erweiterte seine hauptstädtische Residenz, wo sich sein bis auf ca. 1500 Personen angewachsener Hof aufhielt. Alexander der Jagellone, der in Vilnius Helen von Moskau heiratete, baute hier die wunderschöne spätgotische St. Annakirche, die vielleicht als sein Mausoleum vorgesehen war, und begann mit der Errichtung der Stadtmauern der Hauptstadt von Litauen.
Nach dem Tod von Alexander wurde sein Bruder Sigismund (1506–1548), der später als Sigismund der Alte bekannt wurde, in Vilnius zum Großfürsten von Litauen erhoben. Wenig später wurde er in Krakau auch zum König von Polen gekrönt. Sigismund der Alte, der als König von Polen und Großfürst von Litauen an der Doppelhochzeit der Jagellonen mit den Habsburgern in Wien im Jahre 1515 teilnahm, brachte die Renaissancekunst und –architektur in die Hauptstadt von Litauen. Er errichtete eine prächtige Renaissanceresidenz in der Unteren Burg von Vilnius und beendete den Bau der Stadtmauern rund um die Stadt.
Großen Einfluss auf die Verbreitung der italienischen Renaissancekultur hatte seine Frau, die italienische Prinzessin Bona Sforza, die im Jahre 1517 in Vilnius von einem Gesandten der Kaiser Maximilian I. und Ferdinand I. mit Sigismund vermählt wurde. Während der Regierungszeit des Sohnes von Sigismund dem Alten und Bona Sforza – Sigismund August – wurden Vilnius und die großfürstliche Residenz aufgrund ihrer kostbaren Kunstschätze als regionales Zentrum der Renaissancekultur in ganz Europa bekannt.
Vydas Dolinskas